Rechtsanwalt - Erbrecht
Vor- und Nacherbschaft
Das Institut der Vor- und Nacherbschaft ermöglicht die Erstreckung einer einzigen letztwilligen Verfügung über zwei (oder mehr) Erbgänge. Der Nacherbe beerbt also nicht etwa den Vorerben, sondern den Erblasser, der die Vor- und Nacherbschaft verfügt hat. Die Vor- und Nacherbschaft führt beim Vorerben deshalb zum Entstehen von zwei eigenständigen Vermögensmassen.
Auf diese Weise lässt sich ein Nachlass z.B. über mehrere Generationen regeln. Dies aber nicht notwendigerweise, weil der Erblasser auch jedes beliebige andere Ereignis als die Nacherbfolge auslösend anordnen kann (z.B. die Wiederverheiratung, Rückfall in einer Suchterkrankung oder dergleichen). Ob dies sinnvoll ist, ist eine andere Frage.
Neben der vorerwähnten Sanktionierungsmöglichkeit unerwünschten Verhaltens eröffnet das Rechtsinstitut folgende Vorteile:
- Ausschaltung von Pflichtteilsberechtigten des Vorerben. Weil der Nacherbe ja nicht Erbe des Vorerben ist (s.o.), erhält der Pflichtteilsberechtigte des Vorerben seinen Pflichtteilsanspruch nur aus dem eigenen Vermögen des Vorerben.
- Schutz des Vermögens vor Gläubigern des Vorerben. Hierzu gilt letztlich dasselbe wie zum Schutz vor einem Pflichtteilsberechtigten. Es handelt sich um eine getrennte Vermögensmasse, an der ein Anwartschaftsrecht des Nacherben besteht. Der Gläubigerschutz lässt sich durch die zusätzliche Anordnung einer Testamentsvollstreckung komplettieren.
Wegen der aber mit diesem Rechtsinstitut einhergehenden nicht unerheblichen Einschränkungen in der Verfügungsbefugnis des Vorerben und seines sehr starren gesetzlichen Korsetts, sollte von der Vor- und Nacherbschaft nur sehr dosiert Gebrauch gemacht werden. In den meisten Fällen ist die alternative Gestaltung mittels Vor- und Nachvermächtnissen die bessere, weil flexiblere Lösung.
Lediglich im Fall des Überschuldetentestaments halte ich persönlich die Gestaltung mittels Vor- und Nacherbschaft für zwingend.
Im Fall des Behindertentestaments, in dem es darum geht, einen Zugriff des Sozialversicherungsträgers zu unterbinden, ist es jedenfalls sinnvoll, darauf zurückzugreifen. Dies deshalb, weil diese Gestaltungsvariante bereits vom Bundesgerichtshof „abgesegnet“ ist und damit vollumfängliche Rechtssicherheit bietet.
Alle anderen Konstellationen lassen sich in der Regel besser mittels Vor- und Nachvermächtnis lösen.