Rechtsanwalt - Erbrecht
Pflichtteile
Um es vorwegzunehmen: Nein, die Pflichtteilsansprüche eines Berechtigten lassen sich gegen dessen Willen per letztwilliger Verfügung weder ausschließen, noch minimieren.
Reduzierung von Pflichtteilen
Die einzige in Betracht kommende Variante, Pflichtteile faktisch zu reduzieren, ist, deren Berechnungsgrundlage durch lebzeitige Zuwendungen (Schenkungen) zu verändern.
Aber auch eine derartige Reduzierung ist nur eingeschränkt möglich: Insoweit greift der sogenannte Pfichtteilsergänzungsanspruch, wonach Schenkungen aus den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall dem Nachlass, im Rahmen der Pflichtteilsberechnung, hypothetisch (mindestens anteilig) hinzugerechnet werden.
Es verbleibt indes immer dann ein Vorteil, wenn der Erblasser nach der Schenkung noch mehr als ein Jahr lebt. In jedem Jahr, das seit der Schenkung vergeht, schmilzt die Hinzurechnung um jeweils 10% ab: Stirbt der Erblasser 1 Jahr nach der Schenkung, werden also nur noch 90% des Werts der Schenkung hinzugerechnet, stirbt der Erblasser 2 Jahre danach, nur noch 80% usw. Nach 10 Jahren ist die Schenkung, im Hinblick auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch neutralisiert. Ein weiterer Vorteil besteht bei Übertragung von Immobilien, weil deren Wertsteigerung ab dem Zeitpunkt der Schenkung bei der Berechnung keine Berücksichtigung findet, wohl aber ein (nach derzeitiger Marktlage in Ballungsräumen wohl nur theoretisch denkbarer) Wertverlust.
Will man Pflichtteile reduzieren, empfiehlt es sich demnach, so früh wie möglich sein lebzeitiges Vermögen durch Schenkungen zu verkleinern.
Erbschaftssteuerliche Wirkung
Dies empfiehlt sich im Übrigen auch in erbschaftssteuerrechtlicher Hinsicht, denn nach Ablauf von jeweils 10 Jahren nach einer solchen Schenkung entsteht der erbschaftssteuerliche Freibetrag neu. Im Falle von großen Vermögen können sich in der Summe nicht unerhebliche Beträge errechnen: Dem Ehegatten steht ein Freibetrag i.H.v 500.000.- € zu, jedem Kind 400.000.- € (und zwar von jedem Elternteil) und den Enkeln je 200.000.- €.
Es ist mithin gleich in zweifacher Hinsicht zu empfehlen, das Vermögen möglichst frühzeitig zu übertragen. Überlebt der Erblasser nach solchen Übertragungen 10 Jahre, ist nicht nur ein potentieller Pflichtteilsergänzungsanspruch vollständig abgeschmolzen, sondern es sind auch die erbschaftssteuerlichen Freibeträge neu entstanden.
Weitere Gestaltungsmöglichkeiten
Daneben kann man dafür sorgen, dass Pflichtteilsberechtigte von Erben (etwa die vorehelichen Kinder eines Ehegatten oder gar deren anderer Elternteil) nicht über den Umweg dieses Erben am eigenen Nachlass beteiligt werden.
Ebenso kann der Anteil eines potentiellen Erben, der gleichzeitig pflichtteilsberechtigt ist, generell oder für bestimmte Fälle auf dessen Pflichtteil reduziert werden.
Berechtigung und Höhe
Pflichtteilsberechtigt sind grundsätzlich nur die Abkömmlinge (also die eigenen Kinder und falls diese nicht Erbe werden, deren Kinder usw.) sowie der Ehegatte. Nur wenn es keine Abkömmlinge gibt, kommen außerdem die Eltern des Erblassers als Pflichtteilsberechtigte in Betracht.
Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des hypothetischen gesetzlichen Erbteils. Weil der Notar auf die Rechtsfolgen des Pflichtteilsrechts, wenn der Pflichtteilsanspruch erst einmal entstanden ist, letztlich keinen Einfluss hat, bedarf es insoweit auch keiner weiteren Ausführung.
Der Notar kann gestalterisch lediglich darauf Einfluss nehmen, dass nicht die Pflichtteilsberechtigten seiner Erben, die nicht gleichzeitig seine eigenen Pflichtteilsberechtigten sind, von der Beteiligung an seinem Nachlass ausgeschlossen werden (s.o.) und er kann mit der Testamentsgestaltung dafür sorgen, dass ein bestimmtes Verhalten mit der Reduktion des Erbteils auf den Pflichtteil einhergeht (sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln).
Pflichtteilsverzicht
Weiterhin kann der Pflichtteilsberechtigte selbst, durch zwingend notariell zu beurkundenden Pflichtteilsverzichtsvertrag, bei dem der spätere Erblasser zwingend persönlich anwesend sein muss, auf sein Pflichtteilsrecht verzichten.
Um nicht den Pflichtteilsanspruch anderer Pflichtteilsberechtigter mittelbar zu erhöhen ist dabei darauf zu achten, dass nur auf den Pflichtteil und nicht etwa auf den Erbteil verzichtet wird. Die Enterbung muss dann testamentarisch erfolgen.
Und schließlich achtet der Notar bei lebzeitigen Vorausempfängen darauf, dass ausdrücklich eine Aussage zur etwaigen Anrechnung auf den späteren Pflicht- und/oder Erbteil mit in die Urkunde aufgenommen wird. Eine derartige Anrechnung kann nachträglich nicht mehr erklärt werden.